Ames a quien ames, Madrid te quiere!
Pride. Stolz. So werden die Veranstaltungen rund um die politischen Demonstrationen zum Thema Homosexualität weltweit genannt. Sie sind die Nachfolger der CSD, den Christopher Street Days, eine Bewegung benannt nach der Strasse in New York, wo 1969 in der Stonewall-Bar ein Aufstand gegen Polizeiwillkür stattfand. Vor allem Schwarze, Latinas und Dragqueens wehrten sich gegen wiederkehrende Kontrollen durch die Polizei. Dies war der Anfang tagelanger Strassenschlachten. Seitdem finden, meistens Ende Juni, in vielen Grosstädten Demonstrationen mit hunderttausenden von Teilnehmern statt, welche aber eher friedlichen Volksfesten gleichen und trotzdem politische Botschaften senden. Es gibt dabei nationale Prides und die Europride, welche jährlich in einer anderen europäischen Hostcity abgehalten wird. Weiter findet als höchste Stufe die Worldpride statt. Wenn diese in Europa stattfindet, dann ersetzt sie dort in diesem Jahr die Europride. Darum ist in den Medien manchmal von beiden zu lesen, wenn es um das Jahr 2017 geht, denn dann findet die Worldpride in Madrid in Spanien statt.
Von manchen Mitgliedern der LGBT-Bewegung wird die Veranstaltung mittlerweile auch kritisiert, mehrheitlich nur noch einem kommerziellen Zweck zu dienen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass solche Veranstaltungen viel dazu beigetragen haben, dass in der vergangenen Dekade weltweit in vor allem westlichen Ländern eine grosse politische Veränderung und Öffnung gegenüber der homosexuellen Bevölkerung stattgefunden hat. Vielerorts hat sich die Gesetzeslage rund um das Thema Partnerschaft, Heirat oder Adoption stark verbessert. Trotzdem gibt es immer noch viel zu tun, denn gerade Mittel- und Osteuropa haben in dieser Hinsicht noch viele Defizite. Spanien hingegen gilt als das LGBT-freundlichste Land innerhalb der EU, nirgendwo ist die Gesellschaft dem Thema gegenüber so positiv eingestellt und die vollständige Heirat wie auch die Adoption sind Rechte für alle Bewohner des Landes.
Zur Umzug am Ende der Pridewochen, die gefüllt mit kulturellen Veranstaltungen und Feierlichkeiten sind, werden 3 Millionen Teilnehmer erwartet. Die spanische Regierung rechnet mit rund 4,3 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen. Speziell für die Worldpride wurde auch ein offizielles Video gedreht und vom Rathaus höchstpersönlich veröffentlicht. Die aktuelle Bürgermeisterin von Madrid, Manuela Carmena, wendet sich sowieso gerne direkt und ohne Umweg an die Bevölkerung, denn ihrer Ansicht nach wurde sie des öfteren von den Medien falsch zitiert. Deswegen hat sie ganz einfach ein eigenes Medium gegründet und stellt jeweils Berichtigungen des Rathauses zur aktuellen Berichterstattung auf der Webseite „La Verdad“ ins Netz. Aber zurück zum Video:
Die Geschichte ist einfach und sympathisch. Die zwei porträtierten Protagonisten, ein Mann und eine Frau, reisen nach Madrid und laufen sich dort mehrere Male gegenseitig an der Pride in Madrid über den Weg. Sie treffen ihre Freunde, besuchen die Veranstaltungen rund um das Fest und haben Spass. Dabei lernen sich die jeweiligen Freundespärchen gegenseitig kennen und es funkt zwischen den gleichen Geschlechtern. Das Video scheint zuerst recht einfach, doch wenn man genauer hinsieht erkennt man, dass einiges an Produktionsaufwand dahinter steckt. Die Szenen werden von mehreren Kameras aus unterschiedlichen Winkeln festgehalten. Produziert wurde ein Jahr zuvor an der herkömlichen Pride in Madrid. Insgesamt gibt es 45 Szenen, wobei viele davon doppelt für je das eine Geschlecht gezählt werden müssen. Der Anspruch, eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen ist kunstvoll gelungen. Einerseits soll die eigene Stadtbevölkerung für den dieses Jahr speziellen Pride-Anlass sensibilisiert werden, dann dient das Video als Tourismuswerbung weltweit und schliesslich als politisches Signal für die Veranstaltung selbst. Im Video werden verschiedene Schlüsselorte gezeigt, so zum Beispiel das Gay-Viertel Chueca im Herzen der Stadt. Als Botschaft möchte sich die Stadt, nach eigener Aussage, als tolerant, vielfältig und freundlich darstellen. Die Charaktere sind gut ausgewählt, ok, sie sehen auch gut aus, aber sie bedienen keine Klischees. Die Nähe der Kamera zu den Protagonisten wird die Stimmung optimal transportiert. Viele Schnitte, wie in einem Musikvideo, lassen keine Moment Langeweile aufkommen.
Fazit: Schöne kurze Geschichte, tolle Bilder und ein guter Song dazu. Der Slogan „Ames a quien ames, Madrid te quiere!“ bedeutet so viel wie „Egal wen du liebst, Madrid liebt dich“.
Rathaus (ehemaliges Postgebäude) an der Plaza de Cibeles während der Pride-Wochen:
So, und nun noch ein kleines Extra zum Thema: An der letzten Pride in Madrid hat das Unternehmen Netflix die U-Bahn Station Chueca zu Werbezwecken komplett in eine grosse Regenbogenflagge verwandelt und ein deutliches Zeichen gesetzt. Damit wurden gleichzeitig neue Inhalte auf der Plattform beworben. Also auf der Plattform von Netflix und auf der Plattform der Metro quasi. Also man gab sich Plattformen für Plattformen auf Plattformen und die Pride war die Ober-Plattform. Auch du verstehst mich.