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Journalismus Online Technik 

Daten + Journalismus = Datenjournalismus?

Datenjournalismus, den Begriff haben wir irgendwie schon mal gehört. Doch was ist das genau? Hat guter Journalismus nicht per se schon mit Daten und Fakten zu tun, gerade heute? Unter Datenjournalismus versteht man, vereinfacht gesagt, die visuelle Darstellung, also nicht primär in Wort und Text, von grösseren Datensätzen. Es geht dabei um den Bereich, der vom Durchschnittsbürger gar nicht erst in seinem Umfang bearbeitet und dann interpretiert werden kann. Grafiken gibt es im Journalismus schon lange, aber die Möglichkeit diese mittels maschinellen Verfahren auszuwerten und aufzubereiten kommt neu hinzu. Dafür braucht es spezialisierte Teams, in denen Grafiker, Journalisten und Programmierer zusammenarbeiten – oder Mitarbeiter immer öfters über mehrere dieser Fähigkeiten gleichzeitig verfügen.

Infografik ist doch auch ein Begriff dafür? Nun, eine Infografik versucht eher einzelne Zahlen oder Fakten, zum Beispiel aus Studien oder Geschäftsberichten, in Relation oder Kontext zu bringen. Bei Datenjournalismus kommt am Ende zwar auch eine Infografik raus, aber die Zahlen bzw. Fakten werden erst durch eine technische Auswertung von grossen Datensätzen und Datenbanken generiert. Der Datenjournalist ist dabei auf Quellen angewiesen. Diese sind immer öfters bei der öffentlichen Hand zu finden. Datenjournalismus entwickelt sich im gleichen Tempo wie die politische Haltung, dass jedermann auf öffentlich erhobene und bezahlte Daten Zugriff erhält, auch unter dem Begriff der „Open-Data-Bewegung“ bekannt. Kommunen horten grosse Datensätze, die für Journalisten höchst interessant sein können.

Ein Beispiel für Datenjournalismus: Die Berliner Morgenpost hat nach der Wahl 2016 eine interaktive Karte erstellt, auf der nicht einfach zu sehen war, wer gewonnen hat und mit wieviel Prozent, sondern man konnte praktisch auf die Strasse genau herausfinden wie die eigenen Nachbarn gewählt haben. Einerseits ist dass grösstmöglichste Transparenz, andererseits richtig beängstigend. Denn es wurden praktisch alle Klischees bestätigt, die es über die Stadtbezirke und ihre Bewohner so gibt.

Berlin Wahl 2016 von der „Morgenpost“:

Quellen können die statistischen Bundesämter, Eurostat, die Weltbank oder einfach die technischen Betriebe einer Stadt sein. Wenn man online mit dem Begriff „filetype:csv“ als Zusatz bei Google sucht, erhält man gleich Antworten, die am ehesten interessante Datensätze enthalten. Es gibt dabei riesige Archive. Alles öffentlich zugänglich, aber ohne das nötige Know-How hat man keine Chance, sich selber die richtige Informationen daraus extrahieren zu können. Genau da kommt Datenjournalismus ins Spiel. Führend auf diesem Gebiet sind grosse Titel wie die „New York Times“ oder „the guardian“, die spezielle Teams dafür unterhalten. Das kostet natürlich Geld, darum greifen viele Titel nur ab und zu und nicht in jeder Ausgabe darauf zurück. Sich das Wissen dafür aufzubauen ist nicht einfach. Müssen jetzt Journalisten lernen zu Programmieren? Oder Programmierer das journalistische Handwerk? Woher bekomme ich solche Leute? Das ist in der Tat schwer, oft ist es eine Mischung daraus. Zusätzlich werden auch noch Spezialisten für die visuelle Aufbereitung dazu benötigt, denn die Ergebnisse einfach, logisch und auch noch recht hübsch darzustellen ist nicht einfach. Multimediale Studiengänge können eine Grundlage für diese neue Art von Journalismus sein, bei der auch Programmierkentnisse und technisches Wissen neben journalistischen Qualitäten vermittelt werden. Es wird mehr solcher Ausbildungsgänge brauchen in Zukunft. Sie können aber nur ein Einstieg sein, denn wer sich wirklich für das Thema der Datenaufbereitung und Visualisierung interessiert, muss Freude daran haben uns sich mit der Materie vertieft auseinandersetzten. Als Medienunternehmen in Zeiten der Krise ist solch qualitative und spezialisierte Arbeit nicht einfach zu finanzieren. Wenn man aber davon ausgeht, dass damit ein gewisser Qualitätslevel der eigenen Ansprüche für die Leser sichtbar wird und eine gute Aufbereitung von Daten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Meinungsbildung haben kann, dann ist es das mehr als nur wert. Daten sind die Währung der Zukunft und damit der Datenjournalismus ein Schlüssel dazu, die immer komplexer werdende Welt besser zu verstehen.

Weitere Beispiele:

Das geteilte Land als Recherche von DIE ZEIT:

How your hometown affects your chances of marriage von der „New York Times“

Guide to gay rights von „the guardian“:

Titelbild Artikel: Diese Grafik ist von Eric Fischer, seines Zeichens Fotograf und digitaler Kartograf. Sie zeigt, wie oft und wo Twitter und Flicker in New York benutzt werden, blau steht für Twitter, orange für Flicker.

 

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